Oberlinrede 2016 - Dagmar Reim
Am Abend des 10. November 2016 war Dagmar Reim zusammen mit ihrem Ehemann der Einladung der Oberlinstiftung in die Oberlinkirche gefolgt. Frau Reim war zwischen 2003 und 2016 erste Intendantin des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) und ist Trägerin des Bundesverdienstkreuzes. Sie hielt vor etwa 100 geladenen Gästen die Oberlinrede 2016 und stand nach dem Vortrag bei einem Empfang für persönliche Gespräche zur Verfügung.
Dagmar Reim durchlebte eine journalistische Karriere in unterschiedlichen Rundfunkhäusern und war Gründungsintendantin des RBB. Von ihrem Amt trat die 64-Jährige Mitte dieses Jahres aus persönlichen Gründen zurück. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. Die Lebensgeschichte ihres zweiten Sohnes Fabian war Thema ihrer Oberlin-Rede. Während ihrer Zeit als Intendantin habe sie darüber nie öffentlich gesprochen, sagte sie zu den anwesenden Gästen. „Ich wollte einfach nicht, dass in der Zeitung steht, wie tapfer ich sei und wie ich das alles schaffen würde.“ In der Oberlinkirche ließ sie die Besucher erstmals an ihren eigenen, höchstpersönlichen Erfahrungen teilhaben. Ehrlich und sachlich wollte sie sein, um nicht von Emotionen überwältigt zu werden. Das ist ihr gelungen und trotzdem konnte sich jeder der Anwesenden gut einfühlen in ihre persönliche und sehr bewegende Familiengeschichte und in das Schicksal ihres Sohnes.
Ein Kind wird geboren
Fabian kam fünf Wochen vor seinem errechneten Geburtstermin zur Welt. Es war eine schnelle und völlig unkomplizierte Geburt, so schien es. Schnell wurde jedoch klar, dass Fabian mit B-Streptokokken infiziert war, jenen hochaggressiven Bakterien, die schon viele Menschen getötet haben. Fabian kämpfte wochenlang um sein Leben. In dieser Zeit wiederholte Dagmar Reim immer wieder einen Satz: „Herr, lass` ihn leben!“. Rückblickend erinnert sie sich an unterschiedliche Reaktionen. Am meisten schockierte sie die Haltung eines Arbeitskollegen, der ihr am Telefon unverblümt die Frage stellte: Es kann doch sein, dass er behindert ist. Wäre es nicht besser, wenn Fabian stirbt? „Das hat mich so geschockt wie nichts anderes, weil ich darüber keine Sekunde nachgedacht hatte. Wir als Familie waren ausschließlich damit beschäftigt, Fabian mit aller Kraft am Leben zu erhalten“, erzählte sie dem Publikum.
Aus Ahnung wird Gewissheit
Drei Wochen nach der Geburt wurde Fabian als angeblich gesunder Säugling nach Hause entlassen. Aber bald kamen Zweifel an der Generalentwarnung auf. „Fabian schien uns einfach zu ruhig zu sein. Wir liefen von Arzt zu Arzt, wurden aber nicht ernst genommen mit unseren Sorgen und Ängsten“, erzählte sie weiter. Als Fabian ein Jahr alt war, sprach er nicht und bewegte sich kaum. Bei einer umfassenden Untersuchung im Werner-Otto-Institut – einer auf Diagnostik und Behandlung von Entwicklungsverzögerungen und Behinderungen bei Kindern und Jugendlichen spezialisierte Einrichtung – wurde schnell klar, dass Fabian hochgradig schwerhörig war. Das Antibiotikum, das sein Leben retten sollte, hatte Hörnerven im Inneren zerstört. Sofort bekam er Hörgeräte und fing schnell zu plappern an. Aber die Erleichterung währte nicht lange, denn Fabian entwickelte sich nicht wie andere schwerhörige Kinder. „Er war langsam, in sich gekehrt und verstand oft nicht, was wir von ihm wollten“, erinnerte sich Dagmar Reim. Mit fünf Jahren bekam Fabian eine Form der Epilepsie, die ausschließlich im Schlaf auftritt. Er wurde mit Medikamenten zugeschüttet und war danach kaum wiederzuerkennen. Erst im Werner-Otto-Institut wurde er professionell und engmaschige betreut und die Medikamentendosis konnte gesenkt werden, erinnerte sich die 64-Jährige.
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Die Oberlinrede ist eine jährliche Veranstaltung. Bleiben Sie auf dem Laufenden, wer in diesem Jahr die Oberlinrede halten wird.